Baumpflege
Baumpflege betrachten wir in jedem Fall als eine komplexe Aufgabe. Es reicht nicht aus, sich nur auf den einzelnen Baum zu konzentrieren, denn viele äußere Faktoren wirken auf ihn ein, die ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Das gilt besonders im urbanen Raum, wo Bäume aus ihrem natürlichen Lebensraum herausgelöst sind und oft von verschiedenen Objekten oder Leitungen umgeben ihren Alltag verbringen.
Grünflächen und Urbanisierung können gut miteinander vereinbart werden – gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen arbeiten wir an einer harmonischen Verbindung dieser beiden Bereiche. Tag für Tag bemühen wir uns darum, dass sich Bäume in Städten und Dörfern so wohl wie möglich fühlen – in einem gegenseitig vorteilhaften Miteinander, bei dem die Bäume unser Mikroklima verbessern und für eine lebenswertere, schönere Umgebung sorgen, während wir mit ausreichend Aufmerksamkeit selbst auf kleinste Probleme oder Baumdefekte reagieren können.
Die ersten zehn Jahre nach der Pflanzung sind die wichtigsten im Leben unserer jungen Bäume. In dieser Zeit können wir mit kleinen Schnitten und gezielten Eingriffen die Baumkrone so formen, dass sie später nie mit einer Motorsäge in Kontakt kommen muss. Da diese regelmäßigen Eingriffe nur minimal sind, bleiben auch die Pflegekosten des Baumes sehr gering. Bei der Erziehungsschnitt von Jungbäumen entfernen wir in der Regel nur trockene oder sich kreuzende Äste. In dieser Phase kann auch bereits die Kronenerziehung beginnen – zum Beispiel im Hinblick auf nahegelegene Gebäude oder Leitungen. Ab dem zweiten Jahr nach der Pflanzung sollten zudem die Stützpfähle entfernt werden.
Nach dem Pflegeschnitt bei älteren Bäumen wird das Laubwerk durchlässiger. Die natürliche Immunreaktion des Baumes darauf ist, dass er seine Äste und den Stamm widerstandsfähiger gegenüber dem Wind macht, weshalb das Höhenwachstum verlangsamt wird und das Dickenwachstum stärker ausgeprägt ist. Wenn die Bäume älter werden, bleiben bestimmte Äste ohne Licht und vertrocknen, was ein völlig natürlicher Prozess ist. In einem Waldumfeld bieten diese trockenen Äste viele Lebensräume. In urbanen Gebieten könnten jedoch herabfallende, trockene Äste ernsthafte Schäden verursachen, aber durch einen gezielten Schnitt kann dies verhindert werden. Das Schnittgut kann zerkleinert und als Mulch im Wurzelbereich des Baumes verwendet werden oder auch in Beeten als Bodenbedeckung dienen. So bleiben die Ressourcen im Garten vor Ort und tragen zur Verbesserung des Bodens bei, ganz wie in einem Wald.
Früher versuchte man, bestimmte Baumdefekte durch eine "Verjüngung" mit starkem Rückschnitt und einer drastischen Kronenreduktion zu behandeln. Heute wissen wir jedoch, dass dies nahezu ein Todesurteil für die Bäume ist. Nach dem Rückschnitt fällt die sich erneuernde Krone leichter ab, es entstehen ausgedehnte Fäulnisbereiche und die Gefahr des Umkippens besteht bei drastisch beschnittenen Bäumen. Die Behandlung von dünnen, schwachen Hauptästen oder Bäumen mit verrottetem Kronenansatz lösen wir heute durch eine Kronensicherung. Dabei handelt es sich um ein hochreißfestes Seil, das den Hauptästen erlaubt, sich zu bewegen, und sie nur an den kritischen Punkten – kurz vor dem Abbrechen – im Wind stoppt. So kann der Baum seine Probleme kontinuierlich wahrnehmen und bekommt die Chance, diese zu überwinden.
Bei älteren, bereits im Abbau befindlichen Bäumen können wir mit einem Stützsystem die Kräfte, die auf die Wurzeln und den Stamm wirken, verringern und das Abbrechen größerer Äste verhindern. So können wir wahre Baum-Matuzaleme in unserem Garten heranziehen. Das Stützsystem kann präventiv sein, um das Abbrechen der verrottenden Äste zu verhindern, oder es kann so gestaltet werden, dass wir die Äste etwas anheben und dadurch die Kräfte, die in den Fasern auftreten, reduzieren.
Immer wieder kommt es zu Bauarbeiten und Sanierungen – und nicht selten leiden darunter auch die Bäume. Ein Holzrahmen, der nur den Stamm schützt, reicht leider nicht aus; auch das Wurzelsystem benötigt große Aufmerksamkeit. Am häufigsten werden bei Grabungen die Baumwurzeln durch Baumaschinen beschädigt, aber selbst das Gewicht eines Lastwagens kann die Wurzelfasern verletzen und den Boden extrem verdichten. Die dadurch entstehenden Schäden im Wurzelsystem zeigen sich oft erst Jahre später in der Baumkrone. Deshalb sollte möglichst schon vor Beginn der Bauarbeiten ein Baumschutzkonzept erstellt werden. Dazu gehört unter anderem die Festlegung der Fahrwege für Maschinen sowie die Einrichtung eines neuen Wurzelraums – etwa durch den Einbau eines Wurzelvorhang, fachgerechten Wurzelschnitt und gezielte Pflege. Wer langfristig denkt, kann in dieser Phase auch eine Wurzelführung einbauen, damit das Wurzelwachstum später keine Schäden an Gehwegen oder Leitungen verursacht.
So wie die Forstwirtschaft heute versucht, Kahlschläge zu vermeiden und auf Plenterwaldwirtschaft umzustellen, möchten auch wir eine dauerhafte Baumbedeckung erhalten. Daher pflanzen wir unter geschwächten oder vitalitätsarmen Altbäumen nach. Die neuen Jungbäume können mit Ballen gesetzt werden, aber auch durch Saatgut oder kleinere Setzlinge lässt sich im Wurzelbereich ein Miyawaki-Wald anlegen. Alle zwei bis drei Jahre werden die Jungbäume geschnitten, während wir die geschwächten, schlecht entwickelten Exemplare – gegebenenfalls als Habitatbäume erhalten – schrittweise zurücknehmen, um der Naturverjüngung Raum zu geben. So verändert sich die Atmosphäre im Garten oder öffentlichen Raum nicht drastisch, und auch ein Baumwechsel wird zu einem langsamen, über ein Jahrzehnt verlaufenden Prozess.